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Die Gotthard Nordrampe
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Die amerikanische Eroberung der Alpen in Spur Z


Originalartikel aus Loki 06/2009


Es gibt hierzulande Modellbauer, die bauen den Tehachapi Loop, die Horse Shoe Curve oder den Cumbres Pass nach. BNSF in Eggerstanden, Pennsylvania Railroad in Eggiwil und Rio Grande im Schanfigg. Gibt's auch die Umkehrung? Wie wär's mit der "SBB Gotthard Line" in der amerikanischen Hauptstadt Washington?

Robert Allbritton hat genau das Erschaffen und damit "die Alpen in Spur Z erobert", wie es das US-Magazin Model Railroader formulierte. Die Gotthard Linie der SBB auf 30x50 Fuss (9x15 Meter)! Aber, wie kommt ein gebürtiger Texaner dazu, ausgerechneteine Gotthard-Anlage zu bauen? Robert erzählt:

Die Inspiration

"Wir waren eine ganze Clique, Jungs und Mädels, die sich zum College-Abschluss etwas Spezielles gönnen wollte. Es sollte für einen Monat quer durch Europa gehen, ausgerüstet mit viel Neugierde, Rucksack und je einem Eurail-Pass. Alle waren von der Idee begeistert. Als sich der Abflugtermin dann näherte, zogen sich alle zurück, bis auf ein Girl und mich. Wir hatten nichts miteinander (noch nicht) und beschlossen, trotz allem aufzubrechen. Zwei sich nicht näher bekannte Leute einen Monat zusammen auf Reisen bedeutet doch, als gute Freunde oder noch bessere Feinde zurückzukommen. Bei Elena und mir war es so, dass wir immer noch verheiratet sind. Aber ich wollte ja eigentlich von den Eisenbahnen in Europa erzählen. Das war also 1998. Wir reisten kreuz und quer durch den Kontinent. Es war umwerfend. Eines Tages waren wir unterwegs von Zürich nach Italien, über die Gotthardstrecke natürlich, die ich noch nie gesehen hatte. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus: Da flog die perfekte Modelleisenbahn an den Fenstern vorbei, mit Wendeln, verstreuten Häusern, kleinen Dörfern und riesigen Bergen rundherum. Es hat mich auf der Stelle gepackt, eine solche Modellbahn wollte ich haben! Ich erinnerte mich an meine Bubenzeit: Mein Grossvater mütterlicherseits war deutscher Abstammung und hatte mir bei FAO Schwarz in New York City eine Märklin H0-Bahn gekauft. natürlich nach deutschen Vorbildern. Am Ende der Primarschule habe ich diese in die bekannte Schachtel gepackt und ganz hinten im Keller versteckt. Aber jetzt wollte ich die Gotthardbahn bauen!"

Gedacht, geträumt, nach Hause gekommen, getan. Robert hätte sein Werk in Spur N angehen können. Hier gab's vor elf Jahren schon ein ansehnlich grosses Sortiment an SBB-Modellen. Aber er dachte vor allem daran, auf seiner Anlage zu zeigen, wie die schroffen, hohen Berge die Gotthardlinie überragen und sie, ein Vorzeigewerk menschlicher Ingenieurskunst, in der Landschaft ganz klein erscheinen lassen. Die kleinste aller kommerziell hergestellten Modellbahnspuren, Z, eignet sich dafür noch besser als die Spur N. Sie bietet auf gegebenem Platz  (der hier ja nicht unbescheiden bemessen ist) das grosszügigste Bahn / Landschaftsverhältnis wie die amerikanischen Modellbahner zu sagen pflegen. Allerdings war und ist in Spur Z das Angebot an Schweizer Rollmaterial deutlich kleiner. Doch selbst ist der Mann. Aber davon etwas später.

Modul-Gedanken zu Baubeginn

Roberts Gotthard-Anlage ist weder viereckig noch passt sie sich dem Grundriss eines bestimmten Raumes an. Sie hat eine unregelmässige Form, fast etwas wild. Wie das Reusstal und die Leventina. Und doch stand zu Beginn ein Schielen nach einer Modul-Philosophie. Die amerikanischen nach Z-Bend Track-"Norm" gebauten Z-Module unterscheiden sich stark von denen in N und H0. Die einzelnen Module sind so stark unregelmässig, dass die Anführungszeichen bei "Norm" mehr als angebracht sind. Ein weiterer Hauptunterschied zu den grösseren Spuren ist, dass die Z-Bend-Track-Module zweiseitig sind. Auf jeder Seite verläuft eine Doppelspur, in der Mitte optisch voneinander getrennt ("scenic divider"). Nur der Übergang von einem Modul, besser Segment, zum anderen muss der Norm entsprechen. Daher auch der Name "Z-Bend" (zu deutsch beugen, biegen, krümmen): Jeder biegt sich die Grösse und Form seiner Module zwischen den Übergängen selbst zurecht. Die beiden äussersten Segmente bilden schliesslich eine Schlaufe, so, dass eine aus mehreren Segmenten gebildete Anlage nicht anderes als einen Loop (Kreis, Oval) bildet. Diese Philosophie liegt Roberts Mini-Gotthard-Linie zugrunde: Sie ist eine Insel, auf beiden Seiten zugänglich, auf der einen die Nord- auf der anderen die Südrampe, an den Enden die erwähnten Norm-Schlaufen. Die riesige Anlage könnte also durch weitere Z-Bend-Track-Segmente noch vergrössert werden! Nun ja, die Amerikaner stellen ihre Modellteile halt nicht im Mehrzweckgebäude Eggerstanden oder dem Sääli im Bären Eggiwil auf, sondern in einer verrückten Mall!

Als Robert mit seiner Planung begann, richtete er sein Augenmerk mehr auf eine optimale Nachbildung des Originals und weniger auf die Abmessungen eines möglichen Standortes der Anlage. Er wollte vor allem die unterschiedlichen Stufen der Linienführung herausstreichen und die landschaftlichen Besonderheiten der Gotthardregion nachbilden. Ein Freund, der zuerst die fertige Anlage sah und erst nachher zum ersten Mal in die Schweiz reiste, war verblüfft, "wie sehr die Wirklichkeit Roberts Anlage glich".

Mit Hilfe von AutoCAD nahm der Gleisplan immer grössere Dimensionen an, je mehr Robert von seinen gesammelten Eindrücken und Unterlagen über die Gotthardbahn in diesen integrierte. Obwohl er in Spur Z arbeitete, konnte er nicht alle gewünschten Streckenteile einschliessen. Jene aber, die verwirklicht wurden, sind entweder genau massstäblich oder nur mit schwer nachempfindbaren Abstrichen realisiert. Er wollte den absolut richtigen Eindruck erreichen und verzichtete auf eine ausgewählte Verdichtung des Vorbilds ("selective compression"). Im Gegenteil, Robert fand, dass der Eindruck der nachgebildeten Dörfer trotz der (vor allem für amerikanische Augen) verschachtelten Bauweise der Vorbilder im genauen Nachbau optisch zu verdichtet, zu eingeengt wirke und er zog ihre bebaute Fläche um 30 Prozent auseinander. Was fehlt ist der eigentliche Gotthard-Tunnel (siehe Gleisplan). An sich ist das schwarze Loch optisch völlig uninteressant, aber die beiden Portale würden der Anlage gut anstehen. Robert denkt deshalb daran, einen Weg zu finden, diese nachträglich noch einbauen zu können.

Die Anlage besteht aus fünf Segmenten, die zwar noch transportabel, jedoch nicht von einem Mann tragbar sind, wie es sich für Z-Module gebühren würde. Robert musste wegen eines Umzugs vor Jahren eine Modellbahnanlage zerstören, und bei einer solchen Aktion wollte er nie mehr dabei sein. Die ersten Arbeiten begannen in einem eher kleinen Raum, dann wurden die bereits erbauten Teile in eine Garage transportiert, wo mit der Landschaftsgestaltung begonnen wurde. Robert nahm an, oder hoffte wenigstens, dass sich dann schon noch ein passender Raum finden würde, wenn die Segmente dann schliesslich zusammengesetzt werden sollten. "Es war ein bisschen wie die Restaurierung einer alten Dampflok, ohne zu wissen, auf welchen Gleisen die alte Dame einmal fahren dürfte". Zu guter Letzt mietete Robert den nötigen Platz in einer Lagerhalle.

Es ist wohl eine sichere Wette, zu behaupten, dass so wohl die grösste Z-Anlage der Welt zustande gekommen ist. In den USA sind Superlative wohl so häufig und beliebt wie früher die Krokodile am Gotthard. Allerdings sagte Robert, dass dies nie sein Ziel gewesen sei.

Bauweise und Steuerung

Die Landschaft auf "Switzerland's Gotthard Pass in detail" besteht aus Sperrholz-Spanten, die mit feinem Drahtgitter überzogen sind. Um Gewicht zu sparen, wurde möglichst auf Gips verzichtet und Isolierschaum und Styro-Hartschaumplatten zur Fein-Modellierung eingesetzt. Nach diversen Versuchen mit anderen Produkten verwendeten die Erbauer (Robert und Freunde der Washingtoner Z-Bend-Track-Gruppe) dafür einen Dachisolationsdachschaum von Dow Chemical, der mit einer Spritzdüse aufgebracht werden kann und im Vergleich zu anderen Produkten deutlich besser aushärtet. Die Ebene 0 liegt auf 50" (127cm) über Boden, was einer weiteren der wenigen Z-Bend-Track-Vorschriften entspricht. Die Gleise steigen bis zu einer Höhe von 85" (216cm). Dies wurde bewusst so gewählt, um den gleichen Eindruck wie in den wirklichen Alpen zu erreichen, wo man oft eine Szene von unten nach oben bestaunt. Zudem macht die Erhöhung die kleinen Züge eindrücklicher. Für etwas kleiner gewachsene Zuschauer und um alternative Blickwinkel zu ermöglichen, sind an einigen Stellen 60cm hohe Treppchen angebracht. Die maximale Steigung beträgt 2.5 Prozent, was ziemlich genau dem Vorbild (2.7 Prozent) entspricht. Ebenfalls in Anlehnung an das Vorbild mit seinen Spiraltunneln sind auf der Anlage diverse Wendeln eingebaut.

Die Anlage wird mittels eines DCC-Systems von Digitrax gesteuert. Sie verfügt über 224 Block- und Rückmeldeabschnitte. Auf einem vom Programm Railroad & Co. gestützten Display sind die Positionen aller Züge jederzeit sichtbar. Es ist vollautomatischer, halbautomatischer und manueller Betrieb möglich. Auch Kombinationen davon, so kann zum Beispiel ein Lokführer einen einzelnen Zug manuell kontrollieren, während der gesamte Rest des Betriebs automatisch abläuft. Normalerweise sind etwa 20 Züge während einer Betriebssitzung unterwegs.Robert meint allerdings und lacht dazu: "Es könnten theoretisch 50, vielleicht sogar 60 Züge sein. Mit 20 funktioniert das System eine geraume Weile. Mit mehr als 50 würde es wahrscheinlich nach einigen Minuten zu einem fürchterlichen "traffic jam" (Verkehrssalat) kommen!"

Eine Handvoll DCC-Decoder sind klein genug, um in Z-Modellloks eingebaut werden zu können. Durch den Einsatz von diodengesteuerten Weichen musste die Spannung für den Fahrbetrieb von normalerweise 12 auf 9.5 Volt gesenkt werden. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass in den digitalisierten Loks weniger Hitzestau entsteht.

Detaillierung

Eine für amerikanische, an Diesel und Dampf gewohnte Modellbahner ungewöhnliche Herausforderung stellte die Oberleitung dar. Und dann erst noch in Spur Z! Robert und sein Team entschieden sich deshalb für eine Vereinfachung: sie stellten nur die Masten auf und verzichteten auf den Fahrdraht. Auch die Finanzierung der Oberleitung war ein Problem, mussten doch über 1000 Maste her. Zwar produziert der deutsche Hersteller Freudenreich Feinwerktechnik solche, doch die Kosten ab Werk wären für Robert prohibitiv gewesen. Man fand einen Kompromiss: Freundenreich lieferte die Einzelteile in ganzen Ätzplatten und zum erstem Mal enstand in den USA eine "assembly line" nach Henry Ford (Fliessband) zur Produktion von SBB-Oberleitungsmasten.

Noch fehlen die Signale auf der ganzen Anlage. "Das ist mein nächstes Projekt, meine nächste Herausforderung", meint Robert dazu. Auch hier wird er sich auf die Modelle von Freudenreich abstützen können, und vielleicht kommt es zu einer weiteren Kooperation. Bevor es soweit kommt, möchte Robert die Landschaft noch mehr begrünen, noch mehr Bäume pflanzen. Obwohl der felsige Charakter der Anlage nicht zu kurz kommen soll, würde sie ihm mit etwas mehr Grünzeug persönlich noch besser gefallen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurze Bauzeit

Gemessen an den Dimensionen der Anlage und der Komplexität der Steuerung entstand die Washingtoner Gotthard-Anlage in relativ kurzer Zeit. Baubeginn war im April 2001. Vier Jahre später, im Juli 2005 war sie bereits an der jährlichen Ausstellung der NMRA (National Model Railroad Association - US Amerikanische nationale Modellbahn Gesellschaft) zu sehen. Robert Allbritton war zwar die Seele des Projekts, doch ohne die Hilfe seiner Clubkameraden vom Z-Bend Track Club Washington, D.C. wäre er nie und nimmer so rasch zum Ziel gekommen. Auch einige auswärtige Modellbahnfreunde sprangen immer wieder helfend ein, einige davon ohne jegliche Erfahrung in Spur Z. Für die Detaillierung der Landschaft und deren farbliche Gestaltung beauftragte Robert zudem zwei professionelle Kunstmaler, Colin Gifford und Richard Taylor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rollmaterial

Beim Startschuss zum Bau dieser Gotthard-Anlage hatte Z-Marktführer Märklin schon diverse passende Modelle produziert: Ae6/6 (1984), Re4/4 IV (1986), Re460 (1995) und die Re465 (1997). Früher waren schon die Oldies Be6/8, Ce6/8 und Ae3/6 II auf die Z-Gleise gerollt. Dazu gab's die Eurofima-Wagen (A und WL, 1984), EW IV (1986), sowie die aus deutschen Wagen umgespritzten Zürcher S-Bahn-Doppelstöcker (1998). Zwei für den Gotthard ganz wichtige Loks fehlten allerdings, die Re4/4 II und die Re6/6, die fest gekuppelt auch als Re10/10 im Einsatz sind. Auch die omnipräsenten EW I waren noch nie auf den Markt gekommen.

Man sagt ja, die Amerikaner würden nicht lange zaudern. Robert ist Amerikaner. Zusammen mit einem norwegischen Partner, der zwischen seiner Heimat und den USA pendelt, besitzt er die Firma American Z Line, eine Zwei-Mann-Unternehmung. Sie lassen in Asien Z-Modelle nach amerikanischen Vorbildern herstellen. Den Vertrieb an den Fachhandel besorgt der Redakteur der amerikanischen Spur Z-Zeitschrift Ztrack Magazine. Die Re10/10 fehlte für "Switzerland's Gotthard Pass in Z", was nun? Also stellten die beiden rührigen Z-ler sie einfach selbst her. Seitdem verfügt die Firma American Z Line über eine weitere Produktelinie, die Swiss Z Line! Die Loks werden bei Ajin in Korea als Messingmodelle hergestellt, sind mit einem zehn Millimeter Faulhaber-Motor, Messing-Schwungrad, Märklin-Pantographen und LED mit Lichtwechsel bestückt und sind weltweit erhältlich. Allerdings scheinen zurzeit alle Modelle ausverkauft zu sein, eine weitere Serie ist geplant. Eine solche bewegt sich zwischen 25 und 50 Loks. An Wagen brachte SZL bis anhin die EW I in den unterschiedlichen Farbgebungen und den vierachsigen Schotterwagen (hergestellt durch Freudenreich in Deutschland) auf den Markt. Als nächstes Modell von SZL befindet sich der NPZ RBDe 560 bereits im Formenbau.

Neues Rollmaterial muss Robert auch besorgen für sein, wie er sagt, übernächstes Projekt auf seiner Gotthard-Anlage: er möchte unbedingt einen Weg finden, die Matterhorn - Gotthardbahn in Spur Zm zu integrieren. Also müsste zuerst noch die Station Göschenen, natürlich mit dem Tunnelportal Nord, her, und dann könnte es schmalspurig Richtung Andermatt losgehen. Das Zm-Gleismaterial mit 4.5 Millimeter Spurweite hat Freudenreich bereits, eine HGe4/4 auch (allerdings den Typ I), und wenn sonst noch nichts auf dem Markt ist, wird's die amerikanisch-norwegisch-koreanisch-deutsche Swiss Z Line-Kooperation schon richten!

"Isebähnle müends eim loh!" - "Model Railroading is fun". Ob Rio Grande im Schanfigg oder Gotthard Line in Washington. Hauptsache, das kreative Hobby macht Spass. Und wenn man dabei Grenzen überschreitet, dann entstehen auch noch grenzüberschreitende, persönliche Kontakte. Und wenn die Kollegen in Ãœbersee es fertig bringen, die "ganze" Gotthardlinie nachzubauen, dann ist das in der Alten Welt doch auch wieder ein Ansporn zu neuen Grosstaten. Die transkontinentale Ost-Westküsten-Verbindung ergäbe - vor allem aus der Sicht eines in Appenzell Innerrhoden Wohnhaften - auch in Spur Z möglicherweise eine etwas zu grosse Nummer!

Weitere Bilder von Rob's Anlage

Im Internet finden sich an verschiedenen Stellen weitere Bilder von Rob's imposanter Anlage. Damit ich diese nicht jedesmal neu suchen muss habe ich sie hier zusammengetragen. Diese vermitteln auch einen Eindruck über die Grösse der Anlage - für einen Europäer fast unvorstellbar ...

Last Update: 27.12.2014, 11:00